Kopfschmerzen und Migräne Patientenleitlinie

 

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Patientenleitlinie
Kopfschmerzen und Migräne

Medizinisches Wissensnetzwerk evidence.de der Universität Witten/Herdecke

Autoren, Quellen, Hintergründe, Gültigkeitsdauer, Impressum und Copyright dieser Informationen: Kopfschmerz-Quellen

2. Version 09/2005: vorliegende Version

Diese Patientenleitlinie richtet sich an Patienten mit Kopfschmerzen und an deren Angehörige.

Gliederung der Kapitel:

 


Einleitung

    Diese Patientenleitlinie richtet sich an Erwachsene mit zeitweilig auftretenden oder immer wiederkehrenden (chronischen) Kopfschmerzen. Die häufigsten Kopfschmerzformen werden beschrieben, und Untersuchungs- und Behandlungsmethoden werden erklärt.

    Bei der Behandlung Ihrer Kopfschmerzen kommt es auf

    • eine enge Zusammenarbeit mit Ihrem Arzt bzw. Ihren Ärzten und
    • Ihr eigenes Engagement an.

    Je besser Sie die Zusammenhänge zwischen Schmerzentstehung, auslösenden Faktoren und Wirkung der Medikamente gegen Kopfschmerzen verstehen, desto leichter fällt es Ihnen, mit Ihrem Arzt zusammenzuarbeiten und selbst aktiv zu werden.

    Kopfschmerzen bei Kindern bedürfen besonderer Aufmerksamkeit und Behandlung. Diese Leitlinie richtet sich an Erwachsene mit Kopfschmerzen. Wenden Sie sich an Ihren Arzt, wenn Ihr Kind an Kopfschmerzen leidet.

    Dies ist eine Zusatzinformationen, die das Gespräch mit Ihrem Arzt nicht ersetzt.
    Die Inhalte dieser Patientenleitlinie basieren auf einer Leitlinie für Ärzte, die unter www.evidence.de zu finden ist. Beide Leitlinien werden von einem unabhängigen Expertenteam erstellt und regelmäßig aktualisiert.

    Um den Text lesefreundlich zu gestalten, verzichten wir auf die Benennung von (Berufs-) Bezeichnungen sowohl in weiblicher als auch in männlicher Form. Wenn also z.B. vom “Patient” die Rede ist, meinen wir damit stets weibliche wie auch männliche Patienten.


1. Was ist mit Kopfschmerz gemeint?


1.1 Wie entstehen Schmerzen?

    Schmerzen sind Warnsignale des Körpers. Normalerweise treten sie in dem Bereich des Körpers auf, dem Gefahr droht. Wenn man zum Beispiel mit der Hand in eine Kerzenflamme fasst, empfindet man Schmerzen und zieht die Hand blitzschnell wieder weg. Das passiert reflexartig und meist, ohne dass man darüber nachdenken muss (siehe dazu Abbildung 1).

    Die Hitze an der Hand wird von kleinen „Fühlern“ (so genannte Rezeptoren) wahrgenommen, die Temperatur, Druck und viele andere Reize erfassen und weiterleiten können. Nervenfasern verbinden die Rezeptoren mit dem Rückenmark. Im Rückenmark laufen alle Nervenfasern des Körpers wie Kabelstränge zusammen bis zum Gehirn. Dort ist die „Schaltzentrale“: Hier werden alle Impulse ausgewertet und entsprechende Befehle über das Rückenmark und die Nervenfasern zurück an die Muskeln oder Drüsen des Körpers gesendet.

    Neben solchen zeitweilig auftretenden („akuten“) Schmerzen sind auch lang andauernde („chronische“) Schmerzen bekannt. Lang andauernde bzw. ständig wiederkehrende Schmerzen können als Begleiterscheinung einer anderen Erkrankung auftreten, zum Beispiel bei Rheuma oder Gelenkverschleiß.

    Es gibt jedoch auch Formen von chronischen Schmerzen, denen kein Schaden im Körper oder keine andere Grunderkrankung zugrunde liegt. Sie entstehen, weil das System der Schmerzentstehung, Schmerzweiterleitung oder Schmerzverarbeitung selber gestört ist und deshalb nicht mehr optimal arbeitet. Zu dieser Art von Schmerzen gehören die meisten Kopfschmerzformen.

     
    Abbildung 1: Schmerzleitung im Körper

    Schmerzleitung im Körper


1.2 Wo kommen die Schmerzen im Kopf her?

    Die häufigsten Kopfschmerzformen sind Spannungskopfschmerzen und Migräne. Obwohl viel in diesen Bereichen geforscht wurde, kennt man ihre Entstehung immer noch nicht ganz genau. Es gibt zwar Auslöser und begünstigende Faktoren für die Entstehung dieser Kopfschmerzen. Auslöser dürfen aber nicht mit Ursachen gleichgesetzt werden. Diese Kopfschmerzen können auch auftreten, ohne dass ein bestimmter Auslöser gefunden wird. Da sie nicht als Folge einer anderen Krankheit oder Behandlung anzusehen sind, stellen sie selber eine behandlungswürdige Erkrankung dar und werden als „primäre Kopfschmerzen“ bezeichnet. Bei diesen so genannten primären Kopfschmerzen kann die Ursache nicht beseitigt werden. Die Behandlung besteht hier in einer schnellen und anhaltenden Schmerzlinderung.

    • Zu den „primären Kopfschmerzerkrankungen“ zählen u.a.: Migräne, Spannungskopfschmerz und Clusterkopfschmerz.

    Darüberhinaus gibt es Kopfschmerzen, die als Warnsignal auftreten, weil im Kopf oder im übrigen Körper ein Schaden entsteht oder entstanden ist. Da sie als Folge einer anderen Krankheit oder Behandlung anzusehen sind, werden sie auch als „sekundäre Kopfschmerzen“ bezeichnet (siehe auch 1.1). Diese seltenen Kopfschmerzformen müssen gut beobachtet und in ihrer Ursache behandelt werden (siehe Warnhinweise). Auch der so genannte „Schmerzmittelkopfschmerz“ (= „Medikamentenkopfschmerz, Entzugskopfschmerz“) gehört zur Gruppe der sekundären Kopfschmerzen. Er kann bei Menschen auftreten, die Schmerzmittel über lange Zeit und zu häufig einnehmen (siehe 3.1.3). Weiterhin zählt man auch Kopfschmerzen, die als Begleiterscheinung z.B. bei einer Erkältung oder nach übermäßigem Alkoholkonsum auftreten, zu den sekundären Kopfschmerzen.

    • Zu den „sekundären Kopfschmerzerkrankungen“ zählen u.a.: Schmerzmittelkopfschmerz (= Medikamentenkopfschmerz, Entzugskopfschmerz), Kopfschmerzen aufgrund von Augenerkrankungen, orthopädischen Erkrankungen oder Problemen mit Zähnen bzw. Kiefer sowie (selten) Schmerzen als Folge von Verletzungen bzw. Erkrankungen wie Blutgefäßveränderungen, Entzündungen, Hirntumore.
       


1.3 Sind Kopfschmerzen überhaupt eine Krankheit?

    Wie unter 1.1 beschrieben, ist akuter, vorübergehender Schmerz ein natürliches Warnsignal des Körpers. Er tritt bei einer Gesundheitsstörung auf und dient dem Organismus als Schutz. Allerdings beeinträchtigen lang anhaltende Schmerzzustände die Lebensqualität und können als eigenständige Schmerzkrankheit bezeichnet werden. So hat sich z.B. beim chronischen Kopfschmerz der Schmerz verselbständigt. Er nimmt den Betroffenen ganz und gar in Beschlag. Dadurch wird das körperliche und seelische Gleichgewicht stark beeinträchtigt und ein Erledigen der alltäglichen Aufgaben ist oft unmöglich.

    Beherzigen Sie, dass lang anhaltender Kopfschmerz eine Krankheit ist, die vom Arzt untersucht und von Arzt und Patient gemeinsam behandelt werden muss. Eine Selbstmedikation ist hier nicht angebracht.


1.4 Kann man Schmerzen messen?

    Unsere Schmerzempfindung wird von vielen körperlichen und seelischen Eigenarten oder Umständen beeinflusst. Dementsprechend ist es schwierig, die Schmerzwahrnehmung und Intensität der Schmerzen eines Einzelnen so zu messen, dass man sie

    • mit Schmerzzuständen derselben Person an unterschiedlichen Tagen oder
    • mit der Schmerzwahrnehmung und -intensität anderer Betroffener vergleichen kann.

    Dies liegt daran, dass Schmerzen nicht direkt durch Geräte gemessen werden können, sondern individuell wahrgenommen und beschrieben werden. Um trotzdem vergleichen zu können, hat man Fragebögen und Skalen (Messleisten) entwickelt, mit denen zum Beispiel Art, Dauer, Ort, Auslöser und Häufigkeit der Schmerzattacken erfasst werden können.

    Für die Untersuchung und die erfolgreiche Behandlung von Kopfschmerzen ist so eine Schmerzdokumentation, und ggf. auch ein Schmerztagebuch, sehr hilfreich (siehe 5. und 7.). Es erleichtert

    • die eigene Schmerzwahrnehmung. Rückblickend sind Angaben zu Schmerzdauer und -stärke häufig ungenau. Man erkennt oft erst durch die genaue Beobachtung und Dokumentation, dass die Schmerzen häufig nach bestimmten Tätigkeiten oder Mahlzeiten auftreten.
    • das Gespräch mit dem Arzt, für den es wichtig ist zu erfahren, welche Form von Kopfschmerz Sie haben. Er ist dabei auf Ihre möglichst genauen und gewissenhaften Angaben angewiesen.


2. Wie häufig sind Kopfschmerzen und wer bekommt sie?


2.1. Wie häufig sind Kopfschmerzen?

    Etwa 54 Millionen Menschen in Deutschland - also etwa 70% der deutschen Bevölkerung - leiden unter anfallsweisen oder chronischen (immer wiederkehrenden) Kopfschmerzen. Spannungskopfschmerz tritt bei knapp vier von zehn Männern / Frauen und Migräne bei etwa drei von zehn Männern / Frauen auf. Es sind also sehr viele Menschen betroffen. Obwohl bei weitem nicht alle Patienten mit Kopfschmerzen zum Arzt gehen, ist Kopfschmerz einer der häufigsten Gründe für den Besuch beim Hausarzt.

    Viele Menschen sind aufgrund ihrer Kopfschmerzen in Beruf, Ausbildung und auch zu Hause häufig nicht einsatzfähig. Diese Patienten sind nicht nur in ihrer Lebensführung stark eingeschränkt, sondern müssen oft noch gegen das Vorurteil kämpfen, gar nicht „richtig“ krank zu sein.

    Die häufigste Kopfschmerzform ist der Spannungskopfschmerz, gefolgt von der Migräne. Die anderen Formen sind wesentlich seltener.


2.2. Gibt es Menschen die besonders leicht Kopfschmerzen bekommen?

    Für alle häufigen Kopfschmerzformen (Spannungskopfschmerz, Migräne) gilt: Menschen, die hohe Ansprüche an sich selber haben, sehr gewissenhaft sind, bei der Arbeit nicht ausfallen wollen und sich keine Ruhe gönnen, neigen eher zu Kopfschmerzen. Außerdem können Verhaltensweisen wie

    • mangelnde Bewegung
    • unausgewogene Ernährung
    • ungünstige Körperhaltung
    • und unregelmäßiger Schlafrhythmus (auch zu wenig Schlaf)

    das Entstehen von Kopfschmerzen begünstigen.


3. Welche Krankheitszeichen treten bei welchem Kopfschmerztyp auf?


3.1. Welche Art von Kopfschmerz habe ich?

    Um herauszufinden, welche Form von Kopfschmerz Sie haben, ist Ihr Arzt auf Ihre Beobachtungen und Ihren Bericht angewiesen. Im Folgenden sind die häufigsten Kopfschmerzformen aufgeführt. Bevor Sie jedoch nach Übereinstimmungen mit beschriebenen Merkmalen suchen, sollten Sie sich darüber klar werden, wie Ihre Schmerzphasen in der Regel verlaufen. Erst wenn Sie ein klares Bild von Ihren Schmerzen haben, können Sie sich unter Umständen in einer der unten aufgeführten Schmerzformen wiedererkennen. Es ist in jedem Fall sinnvoll, den typischen Verlauf der eigenen Kopfschmerzphasen aufzuschreiben und die Notizen mit in die Sprechstunde zu bringen (siehe 5. und 7.).


3.1.1 Spannungskopfschmerz

    Der Name Spannungskopfschmerz kommt ursprünglich von “Verspannung”. Früher ging man davon aus, dass die Schmerzen im Kopf direkt durch verspannte Hals- und Schultermuskeln verursacht werden. Heute nimmt man an, dass der Schmerz mit einer Störung der schmerzverarbeitenden Zentren im Gehirn zu tun hat. Insbesondere die Schmerzhemmung scheint gestört zu sein. Dies kann möglicherweise eine Art „Gewöhnung“ sein, da der Spannungskopfschmerz am Anfang durch Ereignisse wie Stress oder Wetterwechsel ausgelöst wird. Im Verlauf verselbständigt sich der dumpfe, drückende Schmerz jedoch, tritt auch ohne einen besonderen Auslöser ein und hält Stunden bis Tage an.

    Nackenverspannungen, die auch durch Stress oder Wetterwechsel ausgelöst werden können, treten gehäuft bei Patienten mit Spannungskopfschmerz auf. Trotzdem scheinen sie nicht der Grund, sondern lediglich ein begünstigender Faktor für die Entstehung von Spannungskopfschmerz zu sein, da der Spannungskopfschmerz auch unabhängig von Nackenverspannungen auftritt.

    Der Spannungskopfschmerz tritt normalerweise beidseitig auf und kann entweder nur die Stirn-, Schläfen- oder Scheitelregion, oder aber den ganzen Kopf betreffen. Der genaue Ort der Schmerzen ist häufig schwer zu beschreiben. Begleitende Krankheitszeichen wie Lärm- oder Lichtscheu treten manchmal, Übelkeit und Erbrechen dagegen sehr selten auf. Appetitlosigkeit kann vorkommen. Der Schmerz verstärkt sich durch körperliche Aktivität üblicherweise nicht.

    Der Spannungskopfschmerz wird als chronisch, also als Dauerkopfschmerz bezeichnet, wenn er an mindestens 15 Tagen pro Monat über ein Jahr regelmäßig auftritt.

    Um zu klären, um welche Form von Kopfschmerz es sich bei Ihnen handelt, ist Ihre Beobachtung und Empfindung wegweisend. Häufig treten bei ein- und demselben Patienten Spannungskopfschmerzen und Migräne in Kombination auf. Nur wenn der Verdacht besteht, dass es sich nicht um Spannungskopfschmerzen, sondern um einen Kopfschmerz handelt, der durch eine andere Grunderkrankung hervorgerufen wurde, sind bildgebende Untersuchungsmethoden (also Untersuchungen, bei denen Bilder gemacht werden, z.B. Röntgenbilder) notwendig.

    Tabelle 2 gibt einen Überblick über die Merkmale der häufigsten Kopfschmerzformen.


3.1.2 Migräne

    Die Migräne ist schon seit über 4000 Jahren bekannt und seither mit den unterschiedlichsten Mitteln erforscht und behandelt worden. Heute geht man davon aus, dass die Veranlagung zur Migräne vererbt werden kann. Man hat aber weder für die Schmerzen, noch für die Begleiterscheinungen wie Lichtscheu, Übelkeit und Migräne-Aura eine einheitliche gesicherte Erklärung gefunden. Nach dem aktuellsten Erklärungsmodell werden Nervenfasern, die an der Schmerzverarbeitung im Gehirn beteiligt sind, durch eine Entzündung (die nicht durch Bakterien oder Viren verursacht wurde) und eine Blutgefäßerweiterung gereizt. Diese Reizung wird als Migräneschmerz empfunden.

    Auch wenn die Schmerzen häufig im Nacken beginnen und gleichzeitig Nackenverspannungen vorliegen, ist die Halswirbelsäule nicht Ursache für die Migräne. Hingegen können Migräneanfälle umgekehrt Nackenverspannungen auslösen.

    Mit bildgebenden Untersuchungsmethoden (Röntgen, CT, MRT) sowie Verfahren, die die Funktion des Gehirns prüfen (EEG, PET), hat man versucht, typische Veränderungen oder Schäden bei Betroffenen nachzuweisen. Das ist jedoch nicht gelungen. Um zu klären, um welche Form von Kopfschmerz es sich bei Ihnen handelt, ist deshalb Ihre Beobachtung und Empfindung wegweisend. Nur wenn der Verdacht besteht, dass es sich nicht um Migräne, sondern um einen Begleitkopfschmerz handelt, der durch eine andere Grunderkrankung hervorgerufen wurde, sind bildgebende Untersuchungsmethoden notwendig.

    Migräneattacken treten in der Regel ein- bis sechsmal im Monat auf. Sie machen sich durch starke bis sehr starke pochende, hämmernde und pulsierende Schmerzen bemerkbar, die sich langsam anbahnen und 4 bis 72 Stunden anhalten. Typischerweise ist nur eine Seite des Kopfes betroffen, Schmerzen im gesamten Kopfbereich sind seltener. Migräneschmerzen werden häufig von begleitenden Krankheitszeichen wie Lärm-, Lichtscheu, Übelkeit oder Erbrechen begleitet oder angekündigt. Auch extreme Müdigkeit, Hyperaktivität oder Heißhunger können einem Migräneanfall vorangehen. Solche Vorboten werden Prodromi genannt und sind nicht mit der Migräne-Aura zu verwechseln, die nur bei einem Teil (etwa 10-15%) der Migränepatienten dem Schmerz vorausgeht. Vorübergehende Sehstörungen (Flimmern, Schlieren, Linien, Gesichtsfeldausfälle), Kribbeln an Armen und Beinen und im Extremfall sogar leichte Sprachstörungen, wie z.B. Wortfindungsstörungen oder in seltenen Fällen auch ein kompletter „Wortsalat“, können zur Migräne-Aura gehören. Alle diese Erscheinungen verschwinden normalerweise nach spätestens einer Stunde wieder. Mit Verschwinden der Aura setzen die Kopfschmerzen ein.

    Häufig treten bei ein- und demselben Patienten Migräne und Spannungskopfschmerzen in Kombination auf.

    Ein Migräneanfall kann durch bestimmte Umstände (zum Beispiel Störung des Schlafrhythmus) ausgelöst werden. Versuchen Sie herauszufinden, was bei Ihnen das Auftreten eines Migräneanfalls begünstigt. Folgende biologische Faktoren und Umwelteinflüsse können einen Migräneanfall auslösen. Prüfen Sie, ob Sie einen oder mehrere davon auch bei sich beobachtet haben:

    • Hormonschwankungen bei Frauen:
      • vor und während der Periode (“menstruelle Migräne”)
      • bei der Ersteinnahme von Hormonpräparaten zur Empfängnisverhütung (Pille)
      • und nach den Wechseljahren
    • Stress:
      • Situationen, die zur seelischen oder körperlichen Anspannung durch Stress führen
      • oder auch Entspannung nach Stress
      • Erwartungsangst, die Stress auslöst
    • Nahrungsmittel:
      • z.B. Alkohol, besonders Rotwein
      • bestimmte Käsesorten
    • Änderungen des Schlaf-Wach-Rhythmus
      • z.B. Ausschlafen am Wochenende
    • Lärm, Flackerlicht, Aufenthalt in großer Höhe, Kälte oder verqualmten Räumen
    • Wettereinflüsse:
      • Luft-, Licht- und Klimaeinflüsse
    • Schwankungen des Koffeinspiegels bei regelmäßigem Koffeingenuss (Kaffee oder schwarzer Tee)
    • Unterzuckerung (Schwankungen des Blutzuckerspiegels) z.B. durch ausgelassene Mahlzeiten

    Schokolade scheint nicht zu den auslösenden Faktoren zu gehören. Der eventuelle Heißhunger auf Süßigkeiten kann vielmehr als Ankündigung einer Migräneattacke angesehen werden.

    Es ist wichtig zu wissen, dass eine Migräne weder lebensbedrohlich noch lebensverkürzend ist! Sie kann leider (noch) nicht ursächlich behandelt werden und ist eine chronische Erkrankung. Das heißt, dass es immer wieder zu Migräneattacken kommen wird. Aber mit Ihrer Einsatzbereitschaft und Ihrem Durchhaltevermögen ist es möglich, die Schmerzen zu mindern und die Häufigkeit ihres Auftretens zu senken!

    Tabelle 2 gibt einen Überblick über die Merkmale der häufigsten Kopfschmerzformen.


3.1.3 Kopfschmerz durch übermäßige Schmerzmitteleinnahme (Medikamentenkopfschmerz, Entzugskopfschmerz)

    Auch, wenn es widersprüchlich klingt: Eine ständige Anwendung von Schmerzmitteln kann auf Dauer Kopfschmerzen verursachen. Patienten, die unter Kopfschmerzen leiden, neigen aus Angst vor neuen Schmerzattacken dazu, ihre Schmerzmittel übermäßig (zu häufig oder in zu großen Mengen) einzunehmen. Dies kann allerdings nach einer gewissen Zeit dazu führen, dass man auf die Schmerzmittel gar nicht mehr verzichten kann. Verzichtet man doch einmal auf eine Einnahme, treten schneller als zuvor wieder Kopfschmerzen auf. Diese Schmerzen fühlen sich zwar zunächst genauso an wie immer, in Wirklichkeit handelt es sich aber um eine neue Kopfschmerzform: den so genannten Medikamenten- bzw. Entzugskopfschmerz. Weil sich der Körper hat sich an die regelmäßige Schmerzmittelzufuhr gewöhnt hat, ist er süchtig und reagiert auf ein Weglassen der Schmerzmittel mit Entzugserscheinungen. Die Folge ist: Man greift schneller und regelmäßiger zu Schmerzmitteln, was dann in den Teufelskreis (siehe Abbildung 2) aus Medikamenteneinnahme und (Entzugs-)Kopfschmerz mündet. Irgendwann verselbständigt sich der Kopfschmerz und wird zum Dauerkopfschmerz. Dieser mittelstarke Dauerkopfschmerz wird als dumpf bis bohrend beschrieben und ist manchmal von Übelkeit begleitet. Wenn Sie Ihre Sitaution hier beschrieben finden und Ihre Beschwerden täglich auftreten, sollten Sie darüber nachdenken, ob Sie bereits unter einem Medikamentenkopfschmerz leiden.
    Besonders häufig wird der Medikamentenkopfschmerz durch Schmerzmittel ausgelöst, in denen mehrere Wirkstoffe miteinander kombiniert sind.

    Abbildung 2: Teufelskreis Medikamentenkopfschmerz

    Teufelskreis Medikamentenkopfschmerz

    Die gewissenhafte Auflistung aller eingenommenen Medikamente und der Menge und Dauer der Einnahme ist zur Untersuchung und Behandlung dieser Kopfschmerzart unbedingt notwendig. Ihr Arzt oder Apotheker kann Ihnen bei solch einer Auflistung behilflich sein.

    Nach der Einnahme mancher Arzneimittel können Kopfschmerzen auch als Nebenwirkung auftreten. Solch ein Kopfschmerz ist z.B. der “Nitratkopfschmerz”, der zu Beginn der Behandlung mit bestimmten blutdrucksenkenden Mitteln auftritt. Häufig verschwinden diese Kopfschmerzen bei regelmäßiger Anwendung des Medikaments nach einigen Wochen von selbst.

    Tabelle 2 gibt einen Überblick über die Merkmale der häufigsten Kopfschmerzformen.


3.1.4 Andere, seltenere Kopfschmerzformen

    Cluster-Kopfschmerz:
    Das Wort „Cluster“ bedeutet „Haufen, Bündel“. Wenn sich viele Kopfschmerzattacken in einem bestimmten Zeitraum häufen bzw. „bündeln“, wird dies daher als „Cluster-Kopfschmerz“ bezeichnet. Die Attacken treten mit einer Häufigkeit von einmal in zwei Tagen bis hin zu achtmal täglich auf – und halten etwa 15 Minuten bis zu 3 Stunden an. Oft werden die Patienten in den Nachtstunden von Schmerzanfällen heimgesucht, aber auch am Tage können Attacken vorkommen. Glücklicherweise haben die meisten Menschen vor und nach solchen Anfällen „Cluster-freie“ Tage, Wochen oder sogar Monate. Die Schmerzen sind immer einseitig und betreffen die Augenhöhle und die Schläfenregion. Männer sind häufiger von den extrem heftigen, plötzlichen Schmerzen betroffen, die mit Tränen und Rötung der Augen, verengten Pupillen, Naselaufen, verstopfter Nase, Gesichtsrötung, Gesichtsschwitzen und/oder einem hängenden Augenlid einhergehen. Diese Begleiterscheinungen können gemeinsam vorkommen oder auch einzeln auftreten. Die Ursachen sind nicht eindeutig bekannt; möglicherweise spielen hierbei Veränderungen des Hirnstoffwechsels eine Rolle; Entzündungen in bestimmten Blutgefäßbereichen des Gehirns könnten dann die Folge sein.
    Durch folgende Faktoren (Triggerfaktoren) können – laut einer von der CSG (Clusterkopfschmerz-Selbsthilfe-Gruppe – Cluster-Kopfschmerzattacken ausgelöst werden:

    • Alkohol (50%)
    • Flackerlicht (32,9%)
    • grelles Licht (23,7%)
    • Lebensmittelzusatzstoffe (22,4%)
    • Gerüche (19,7%)
    • Käse (bestimmte Sorten) (17,1%)
    • laute Geräusche (auch Musik) (15,8%)
    • Tomaten (und daraus hergestellte Produkte) (13,2%)
    • Zitrusfrüchte (5,3%)

    In Klammern ist jeweils angegeben, bei wie viel Prozent der Betroffenen durch den entsprechenden Triggerfaktor eine Attacke ausgelöst werden kann.

    In der unten aufgeführten Bücher- und Linkliste finden Sie weitere Informationen zu diesem Thema, insbesondere auf der Internetseite www.clusterkopf.de der Clusterkopfschmerz-Selbsthilfe-Gruppe (CSG).

    Begleitkopfschmerz:
    Es gibt eine Reihe von Erkrankungen, die mit Kopfschmerzen einhergehen:

    • Kopfschmerzen, die bei Erkältung/Grippe und Magen-Darm-Entzündung auftreten
    • Kopfschmerzen, die nach Alkoholexzessen auftreten (“Katerkopfschmerz”)
    • Kopfschmerzen, die durch Weit- oder Kurzsichtigkeit auftreten
    • Kopfschmerzen, die bei einer Nasennebenhöhlenentzündung auftreten

    Die Erkrankungen, die diesen Kopfschmerzen zugrunde liegen, sollten behandelt werden. Es besteht jedoch in den o.g. Fällen keine akute Gefahr für den Körper.

    Warnhinweise: In der Tabelle 1 finden Sie Kopfschmerzarten, die auf eine ernste Grunderkrankung hinweisen können. Sollte eine der genannten Kopfschmerzarten bei Ihnen vorliegen, sollten Sie umgehend Ihren Arzt aufsuchen.


Tabelle 1: Warnhinweise

    Begleitkopfschmerz, der auf eine ernste Grunderkrankung hinweisen kann und der vom Arzt untersucht und behandelt werden sollte:

    • Kopfschmerzen nach allen Arten von Kopfverletzungen.
    • Kopfschmerzen mit Seh-, Sprach-, Hör-, Gefühlsstörungen und Lähmungserscheinungen im Gesicht oder an den Gliedern. (Ausnahme: Migräne-Aura – siehe 3.1.2. Aber auch dann und ganz besonders, wenn diese Zeichen zum ersten Mal bei Ihnen auftreten, gilt: Sie sollten Ihren Arzt aufsuchen, der dann sicherstellt, dass es sich wirklich um eine Aura handelt und nicht um Zeichen einer anderen Grunderkrankung.)
    • Kopfschmerzen mit gleichzeitiger Nackensteifigkeit und Fieber. (Diese können auf eine Hirnhautentzündung (= Meningitis) hinweisen.)
    • Plötzliche starke Kopfschmerzen mit Nackensteifigkeit. (Diese können auf eine Hirnblutung hinweisen.)
    • Plötzlich auftretende Kopfschmerzen mit bisher nicht bekannter Heftigkeit. (Diese können z.B. durch einen erhöhten Augeninnendruck (“grüner Star”) verursacht werden)
    • Kopfschmerzen, die mit plötzlicher Bewusstlosigkeit einhergehen.
    • Kopfschmerzen im Zusammenhang mit psychischen Auffälligkeiten.
    • Neu auftretende Kopfschmerzen nach dem 40. Lebensjahr.

     


3.1.5 Tabelle 2

    Wichtigste Merkmale von Spannungskopfschmerz, Migräne und Medikamenten- bzw. Entzugskopfschmerz

    ?

    Migräne

    Spannungs-
    Kopfschmerz

    Medikamenten-
    Kopfschmerz

     

    In welchem Bereich des Kopfes treten die Schmerzen auf?

    überwiegend einseitig,
    selten beidseitig

    ganzer Kopf, Hinterkopf, Scheitelregion, Stirn

    ganzer Kopf, meist beidseitig

     

    Wie lange dauern die Schmerzattacken?

    4 - 72 Stunden

    Stunden bis
    1 Tag

    Dauerschmerz

     

    Wie häufig treten die Schmerzen auf?

    1-6 mal pro Monat
    (nie täglich)

    gelegentlich
    bis
    täglich

    Dauerschmerz

     

    Wie stark sind die Schmerzen?

    stark

    leicht bis mittel

    mittel bis stark

     

    Wie fühlt sich der Schmerz an?

    pochend,
    hämmernd,
    pulsierend

    dumpf,
    drückend

    dumpf, bohrend, stechend

     

    Gibt es Begleit-
    erscheinungen?

    Übelkeit,
    Erbrechen,
    Licht- und Lärmempfindlichkeit

    kaum

    leichte Übelkeit und Lichtscheu

     

    Wodurch werden die Schmerzen ausgelöst?

    Alkohol, Stress,
    Hormonschwankun gen (siehe oben),
    Wochenende

    zunächst Stress und Wetterwechsel
    später ohne
    Auslöser

    ständige Schmerzmittel-
    einnahme

     

    Sonstiges

    während eines Migräneanfalls:
    Aufsuchen ruhiger und dunkler Räume.

    ---

    imitiert zunächst den zugrunde liegenden Kopfschmerz (z.B. Migräne)

     


    Die Abbildung 3 verdeutlicht noch einmal die verschiedenen Bereiche, in denen die unterschiedlichen Kopfschmerzformen auftreten


Abbildung 3: Typische Merkmale von Migräne und Spannungskopfschmerzen

    Kopfschmerzen und Migräne: Typische Merkmale

    Migräne:

    - pochender, pulsierender, hämmernder Schmerz, meist halbseitig, selten beidseitig
    - Begleiterscheinungen: Übelkeit, Erbrechen, Licht- und Lärmempfindlichkeit
    - Dauer der Schmerzattacke: 4 bis 72 Stunden

    Spannungskopfschmerz:

    - dumpf-drückender Schmerz in der Stirn-, Schläfen- und/oder Scheitelregion, oft gesamter Kopf, beidseitig, haubenförmig
    - kaum Begleiterscheinungen
    - Dauer der Schmerzattacke: mehrere Stunden bis zu einem Tag


    3.2. Wann muss ich zum Arzt gehen?

      Der Erfolg einer Kopfschmerzbehandlung steht und fällt mit dem frühzeitigen Behandlungsbeginn, der Erkennung der vorliegenden Kopfschmerzform und der guten Zusammenarbeit von Arzt und Patient.

      Kopfschmerzen, die so stark sind, dass Sie sich dadurch beeinträchtigt fühlen, sollten Sie nicht auf die leichte Schulter nehmen. Viele Menschen die an schweren dauerhaften Kopfschmerzformen leiden, gehen nie oder erst sehr spät zum Arzt. Ihre Umwelt bestärkt sie in dem Glauben, Kopfschmerzen seien keine Krankheit. Das ist jedoch ein Vorurteil. Die meisten Kopfschmerzformen sind behandlungsbedürftige Erkrankungen, die dem Arzt vorgestellt werden sollten.

      Sie sollten auf jeden Fall mit Ihrem Arzt Kontakt aufnehmen wenn...

      • ...Sie an mehr als 10 Tagen im Monat Kopfschmerzen haben,
      • ...Sie Ihre Schmerzmittel immer häufiger (öfter als 10-mal im Monat) oder in immer       größeren Mengen einnehmen müssen,
      • ...Sie zusätzlich zu den Kopfschmerzen einen steifen Nacken und/oder Fieber haben,
      • ...Ihre Kopfschmerzen stärker werden, häufiger auftreten oder sich die Schmerzart  ändert (z.B. von pochend-pulsierend zu dumpf-drückend),
      • ...Ihr Kopfschmerz im Zusammenhang mit Kurzatmigkeit, Fieber auftritt und/oder mit Krankheitszeichen, die Ihre Augen, Ohren, Nase oder Hals beeinträchtigen,
      • ...Ihr Kopfschmerz von starker Übelkeit begleitet wird,
      • ...Ihre Kopfschmerzen gemeinsam mit Sehstörungen auftreten,
      • ...die Ursache Ihres Kopfschmerzes eine Kopfverletzung ist.


    4. Beim Arzt


    4.1 Wie findet mein Arzt heraus, was für eine Art von Kopfschmerz ich habe?


    4.1.1 Befragung (Anamnese)

      Um herauszufinden, unter welcher Kopfschmerzform Sie leiden, ist Ihr Arzt auf Ihre Beobachtungen und Mitteilungen angewiesen. Es ist also wichtig, dass Sie das Auftreten Ihrer Schmerzen über einen gewissen Zeitraum möglichst genau wahrnehmen und alles, was mit dem Schmerz zu tun hat, aufschreiben. Hilfreich sind Tabellen und Fragebögen, die wichtige Punkte rund um den Kopfschmerz abfragen. Es ist häufig schwierig, sich im Nachinein an die Schmerzphasen der vergangenen Tage und Wochen zu erinnern. Deswegen bietet sich zur Dokumentation ein Kopfschmerztagebuch oder ein Kopfschmerzkalender an (siehe 5. und 7.).

      Ihr Arzt wird Ihnen auch Fragen zu Belastung, beruflicher und familiärer Situation, zu Erkrankungen, die Sie selber hatten oder haben, und zu Erkrankungen, die in Ihrer Familie vorkommen, stellen (hier sind vor allem Kopfschmerz- oder andere Schmerzerkrankungen von Bedeutung). Diese Fragen sind zum Teil sehr persönlich und scheinen nichts mit Ihren Kopfschmerzen zu tun zu haben. Um Ihre Erkrankung genau zu erkennen und von Anfang an die beste Behandlung einzuleiten, ist es aber notwendig, dass sich der Arzt ein vielseitiges Bild macht. Dazu gehört auch die Frage nach Untersuchungs- und Behandlungsverfahren, die bei Ihnen wegen Ihrer Kopfschmerzen bereits durchgeführt wurden.

      Zudem muss Ihr Arzt sicherstellen, dass sich hinter Ihren Kopfschmerzen keine andere Grunderkrankung verbirgt. Auch dafür liefern die Informationen, die er von Ihnen bekommt, wichtige Hinweise.


    4.1.2 Körperliche Untersuchung

      Bei der körperlichen Untersuchung wird einerseits nach Ihrem allgemeinen gesundheitlichen Zustand geschaut. Andererseits werden spezielle Bereiche untersucht um

      • Hinweisen nachzugehen, die Sie während der Befragung geliefert haben (zum Beispiel ein Sturz, eine Verletzung oder eine bestimmte Vorerkrankung).
      • Hinweise auf andere Erkrankungen zu finden, die Ursache für den Kopfschmerz sein könnten (Hier stehen Untersuchungen, die das Nervensystem betreffen – so genannte neurologische Untersuchungen – wie auch weitere fachärztliche Untersuchungen (z.B. an Augen, Hals/Nase/Ohren, Kiefer und Zähne, Knochengerüst) im Vordergrund).


    4.2 Wann müssen zusätzliche Untersuchungen durchgeführt werden?

      Zusätzliche technische Untersuchungen sind immer dann notwendig, wenn der Verdacht auf eine ernste, behandlungsbedürftige Grunderkrankung besteht, bei der der Kopfschmerz nur als Begleiterscheinung auftritt. Dies ist bei den häufigsten Kopfschmerzformen – Spannungskopfschmerz und Migräne – nicht der Fall. Die ausführliche Befragung und die körperliche Untersuchung reichen in der Regel aus, um den Verdacht auf Spannungskopfschmerz oder Migräne zu bestätigen. Zusätzliche technische Untersuchungen werden zwar oft vom Patienten oder seinen Angehörigen gewünscht, sie bringen in der Regel jedoch keine neuen Informationen, die sich auf die Behandlung auswirken würden. Die häufige verständliche Angst vor einem Gehirntumor, der die Kopfschmerzen auslöst, ist normalerweise unbegründet, wenn die körperliche Untersuchung normale Ergebnisse liefert. Ein Tumor würde zusätzlich noch viele andere Krankheitszeichen und in der Regel nicht die Krankheitszeichen verursachen, die typisch für primäre Kopfschmerzen sind. Außerdem hat nur die Hälfte aller Patienten mit einem Hirntumor überhaupt Kopfschmerzen.

      Besteht allerdings der Verdacht, dass der Kopfschmerz als Begleiterscheinung einer anderen Erkrankung auftritt, sind zusätzliche technische Untersuchungen sinnvoll.

      Es kommen eine Vielzahl von Untersuchungen in Frage, von denen aber beim einzelnen Patienten– je nach Erkrankung – nur einige wenige durchgeführt werden.

      • Blut, Urin oder Gehirnwasser (Liquor) können im Labor untersucht werden.
      • Elektrische Ableitungen der Hirnströme (EEG), die etwas über die Funktion des Gehirns aussagen, können aufgezeichnet werden.
      • Bildgebende Untersuchungsmethoden (Computer- oder Kernspin-Tomographie = CT oder MRT) zeigen das Gehirn in einzelnen Schichten.
      • Durch eine Sonographie (Ultraschalluntersuchung) können z.B. die Nasennebenhöhlen dargestellt werden.
      • Bei der Angiographie werden Blutgefäße mit Hilfe von Kontrastmittel auf einem Röntgenbild sichtbar gemacht.
      • Je nach Grunderkrankung sind auch andere Untersuchungsmethoden möglich (z.B. Positronen-Emissions-Tomographie = PET).


    4.3 Beschreibung einzelner Untersuchungsverfahren

      Mit Hilfe von CT und MRT kann man zeigen, wie das Gehirn „aussieht“, mit EEG und PET versucht man herauszubekommen, wie es arbeitet.

      Computer-Tomographie (CT) und Magnet-Resonanz-Tomographie (MRT)
      CT (Computer-Tomographie) und MRT (Magnet-Resonanz-Tomographie, auch: Kernspintomographie) werden eingesetzt, um Veränderungen in der Struktur des Gehirns zu erkennen (z.B. einen Tumor). Dabei eignet sich das CT vor allem für die Darstellung von Knochen und knochenähnlichen Strukturen. Beim MRT kann man die Weichteile besser beurteilen. Bei beiden Untersuchungen muss der Patient in einer “Röhre” liegen. So kann das Gehirn Schicht für Schicht dargestellt werden. Der Computer wandelt die gemessenen Ströme und Strahlungen in Bilder um. Beim CT wird mit Röntgenstrahlen gearbeitet. Beim MRT werden Energieströme gemessen, die unter Einfluss eines starken Magnetfeldes entstehen.

      Elektro-Enzephalogramm (EEG) und PET (Positronen-Emissions-Tomographie)
      Anhand eines EEGs (Elektro-Enzephalogramm) werden Gehirnströme – also Abläufe im Gehirn – elektrisch abgeleitet und aufgezeichnet. Die PET (Positronen-Emissions-Tomographie) ist genau wie CT und MRT ein Schichtaufnahmeverfahren. Auch hier liegt der Patient in einer „Röhre“ und das Gehirn wird schichtweise dargestellt. Man kann anhand dieser Schichtaufnahme jedoch nicht nur sehen, wie das Gehirn aufgebaut ist, sondern vor allem, wie es arbeitet. Zu diesem Zweck wird vor der Untersuchung ein Mittel in die Blutbahn gespritzt, das in bestimmten Bereichen des Gehirns aufgenommen wird und sich dort ansammelt. Um herauszufinden, wo sich wie viel und in welcher Zeit angesammelt hat, enthält das Mittel Teile einer leicht radioaktiven Substanz, die man auf den Schichtaufnahmen sichtbar machen kann.


    4.4 Was kann mein Arzt für mich tun und welche Behandlungen sind sinnvoll?

      Die Behandlung richtet sich zum einen danach, ob der Kopfschmerz primär oder sekundär ist (siehe auch 1.2):

      • Primär bedeutet -> Der Schmerz selber ist die Krankheit, er wird nicht durch eine andere Krankheit ausgelöst. Ziel der Behandlung ist die Linderung der Schmerzen. Mit einem Anteil von über 90% sind primäre Kopfschmerzen (wie Spannungskopfschmerzen und Migräne) die häufigste Kopfschmerzart.
      • Sekundär bedeutet -> Der Schmerz ist Begleiterscheinung einer anderen Krankheit und verschwindet, wenn diese geheilt ist. Die Linderung der Schmerzen ist nur eine kurzfristige Maßnahme; das eigentliche Ziel der Behandlung ist die Heilung der Grunderkrankung. Es sind rund 220 Erkrankungen bekannt, die sekundäre Kopfschmerzen verursachen.

      Zum anderen richtet sich die Behandlung nach dem Kopfschmerztyp. Im Folgenden werden die medikamentösen Behandlungsmöglichkeiten der häufigsten Kopfschmerztypen vorgestellt. Teil der Behandlung sind jedoch niemals nur Medikamente, sondern immer auch andere Behandlungsmöglichkeiten, wie das Vermeiden von Schmerz auslösenden Stoffen, Situationen, etc.. In Kapitel 5 wird dann all das angesprochen, was Sie selber aktiv gegen die Schmerzen tun können.

      Bei dem Einsatz von Medikamenten stellen sich zwei Fragen

      • Welche Medikamente sind hilfreich bei möglichst wenig Nebenwirkungen?
      • Wie häufig sollen die Medikamente eingenommen werden? Nur bei Bedarf oder regelmäßig, das heißt: auch in schmerzfreien Phasen?

      Diese Fragen werden je nach Kopfschmerztyp unterschiedlich beantwortet:


    4.4.1 Phasenweise, nicht dauerhaft auftretende Spannungskopfschmerzen (siehe auch Tabelle 3):

      a. Welche Medikamente?
      Bei Spannungskopfschmerzen, die ab und zu auftreten, werden folgende Arzneistoffe an erster Stelle empfohlen: Acetylsalicylsäure (z.B. ASS, Aspirin®), oder Ibuprofen oder eine Kombination aus Acetylsalicylsäure, Paracetamol und Coffein. Beachten Sie bitte: Kombinationen, also Mischungen mehrerer Wirkstoffe, helfen zwar gut gegen Kopfschmerzen, führen aber besonders häufig zum Entzugskopfschmerz (siehe
      3.1.2) und sollten daher besonders diszipliniert eingenommen werden. Weiterhin kann auch der Wirkstoff Paracetamol (1000 mg Einzeldosis) zum Einsatz kommen.

      Eine ähnliche Wirkung kann die äußerliche Anwendung von Pfefferminzöl zeigen. Das Einreiben von Schläfen, Stirn und auch Nacken lindert bei vielen Betroffenen die Schmerzen. Pfefferminzöl darf jedoch nicht in die Augen oder in direkte Augennähe gelangen. Verwendet werden soll das ätherische Öl der echten Pfefferminze; nicht gemeint ist Minzöl bzw. japanisches Heilpflanzenöl.

      Manche Patienten berichten davon, dass ihnen andere Wirkstoffe oder auch pflanzliche Mittel (z.B. Weidenrindenextrakt) bzw. homöopathische Mittel helfen. Zwar gibt es keine Studien, die eine Wirksamkeit statistisch eindeutig belegen, jedoch können solche Mittel – sollten sie bei Ihnen wirksam sein –auch weiter angewendet werden.
      Triptane, die man bei der Migräne einsetzt, helfen bei Spannungskopfschmerzen nicht.

      b. Wie häufig?
      Das ausgewählte Schmerzmittel sollte entsprechend der Anweisung Ihres Arztes oder Apothekers (bzw. entsprechend der Packungsbeilage) aber nicht häufiger als 10-mal im Monat und nicht länger als 3 Tage hintereinander eingenommen werden. Die Anwendungsbegrenzung sollten Sie auf jeden Fall beachten! Vor allem gilt dieser Hinweis für die so genannten Kombinationsmittel, in denen Coffein enthalten ist.


    4.4.2 Chronische, dauerhafte Spannungskopfschmerzen (Kopfschmerz an mehr als 15 Tagen pro Monat) (siehe auch Tabelle 3):

      a. Welche Medikamente?
      Bei dauerhaften (= chronischen) Spannungskopfschmerzen besteht die Gefahr, dass sich zusätzlich eine Abhängigkeit entwickelt, wenn regelmäßig Schmerzmittel eingenommen werden. Deswegen wird hier eine andere Medikamentengruppe empfohlen, die dem Kopfschmerz vorbeugt. Es sind die sogenannten trizyklischen Antidepressiva (zum Beispiel Amitriptylin). Diese Medikamente wurden ursprünglich bei Depressionen eingesetzt, haben hier jedoch eine andere Aufgabe: sie erhöhen die Schmerzschwelle, das heißt, dass nur starke Signale die Schwelle „überschreiten“ und tatsächlich als Schmerz empfunden werden. Schwache Signale werden einfach „übersehen“. Auf diese Weise tritt der Spannungskopfschmerz weniger stark und weniger häufig auf.

      b. Wie häufig?
      Schmerzmittel für den Bedarfsfall sollten so wenig wie möglich (nicht häufiger als 10-mal im Monat) eingenommen werden. Erhöhen Sie bitte nicht selbständig die Dosis.
      Die Medikamente zur Vorbeugung müssen im Gegensatz dazu regelmäßig eingenommen werden. Man beginnt die Behandlung mit einer niedrigen Medikamentendosis. Langsam wird die Wirkstoffmenge bis zur „passenden“ Dosis gesteigert. Das braucht Zeit. Deshalb ist der Erfolg einer vorbeugenden Behandlung erst nach 4 bis 6 Wochen endgültig zu beurteilen. Also: Geduld haben und durchhalten!


    Tabelle 3: Behandlung des Spannungskopfschmerzes

      Phasenweise auftretende Spannungskopfschmerzen

      Dauerhafte Spannungskopfschmerzen

       

      • Medikamente: Acetylsalicylsäure (z.B. ASS, Aspirin®), Ibuprofen oder ein Kombinationsmittel (ASS + Paracetamol + Coffein) bzw. Paracetamol
      • maßvoller Umgang mit Kombinationsmitteln (“Mischpräparate”)
      • So selten wie möglich!
      • Nicht häufiger als an 10 Tagen im Monat bzw. an 3 aufeinanderfolgenden Tagen!
      • Medikamente: Trizyklische Antidepressiva (z.B. Amitriptylin)
      • Regelmäßig einnehmen, auch wenn Sie keine Beschwerden haben!
      • Wirkung ist erst nach 4-6 Wochen endgültig zu beurteilen!
      • Möglichst keine üblichen Schmerzmittel einnehmen!

       


    4.4.3 Migräne (siehe auch Tabelle 4):

      a. Welche Medikamente?
      Während des Migräneanfalls
      :
      Gegen die Übelkeit helfen so genannte Antiemetika (anti = gegen, emesis = Erbrechen). Häufig eingesetzte Wirkstoffe sind Dimenhydrinat (frei verkäuflich), sowie Metoclopramid* und Domperidon*. Antiemetika bekämpfen nicht nur die Übelkeit, sondern bereiten den Magen-Darm-Trakt auch darauf vor, Schmerzmittel besser aufzunehmen. Daher sollte man nach der Einnahme des Antiemetikums 10 bis 15 Minuten warten, bis ein Schmerzmittel geschluckt wird. Einige Wirkstoffe gibt es auch als Zäpfchen, was bei Erbrechen von Vorteil ist.

      Gegen Schmerzen beim leichten bis mittelschweren Anfall haben sich wirksam gezeigt: Acetylsalicylsäure (z.B. ASS, Aspirin®, Einzeldosis mit 1000 mg), Paracetamol, (Einzeldosis mit 1000 mg), Ibuprofen (Einzeldosis mit 400 mg) sowie Diclofenac-Kalium* (Einzeldosis mit 50-100 mg). In einigen Fällen wird auch Ergotamin* (v.a. bei sehr lang anhaltenden Migräneattacken) empfohlen. Weiterhin können auch die Wirkstoffe Naproxen, Metamizol* und Phenazon zum Einsatz gelangen.

      Tipp: Nehmen Sie Ihr Schmerzmittel möglichst in Form einer Brausetablette, Brausegranulat oder Kautablette ein, dann kann der Wirkstoff schneller aufgenommen werden.

      Bei schweren Migräneanfällen ist die Behandlung mit so genannten Triptanen* (z.B. Sumatriptan*) meist erfolgreich. Je nach Wirkstoff kann es 30 Minuten bis 4 Stunden dauern, bis der Kopfschmerz verschwindet. Triptane* stehen nicht nur als Tablette, sondern bei Erbrechen auch als Nasenspray zur Verfügung. Sie können auch unter die Haut gespritzt werden (subcutan: sub = unter, cutis = Haut). Weiterhin kann Ihr Arzt Ihnen auch bei schweren Migräneanfällen Lysinacetylsalicylat* (ASS-Lysinat) in die Vene spritzen.

      Noch ein wichtiger Hinweis zur Einnahme von Schmerzmitteln: Um eine Gewöhnung/Abhängigkeit zu verhindern, sollten sie nicht öfter als an 10 Tagen pro Monat und höchstens an 3 aufeinander folgenden Tagen angewendet werden. Diesen Hinweis sollten Sie insbesondere beachten, wenn Sie ein Kombinationsmittel (= Mischpräparat) anwenden, in dem auch Coffein enthalten ist!

      Zur vorsorglichen Anfallsbekämpfung (Prophylaxe):
      Zur Migräneprophylaxe bevorzugt empfohlen werden die von der Behandlung des Bluthochdrucks bekannten Betablocker Metoprolol* und Propranolol* oder der Wirkstoff Flunarizin*. Daneben sind auch Bisoprolol*, Naproxen, Acetylsalicylsäure, Magnesium, Pestwurz, Mutterkraut und Amitriptylin* möglicherweise wirksam. Werden diese Wirkstoffe regelmäßig eingenommen, treten die Migräneattacken in den meisten Fällen seltener auf.

      Welcher dieser aufgeführten Wirkstoffe für Sie in Frage kommt, sollten Sie in Ruhe mit Ihrem Arzt besprechen, zumal in einigen Fällen eine Verschreibungspflicht besteht.

      b. Wie häufig?
      Die Häufigkeit der Einnahme richtet sich nach den Angaben Ihres Arztes bzw. der Packungsbeilage. Generell sollten vorbeugende Medikamente mindestens über sechs Monate regelmäßig eingenommen werden - auch, wenn Sie keine Beschwerden haben! Eine Verbesserung – seltenere oder weniger heftigere Migräneattacken – kann man frühestens nach 8 Wochen beurteilen. Eine optimale Migräneprophylaxe führt dazu, dass die Häufigkeit, die Stärke und die Dauer der Anfaälle um mindestens die Hälfte abnimmt.

      Eine Anfallsvorbeugung (=Prophylaxe) ist sinnvoll, wenn Ihre Migräneanfälle

      • häufiger als 3-mal pro Monat auftreten,
      • nicht effektiv genug behandelt werden können (z.B. weil Sie bestimmte Medikamente nicht gut vertragen oder darauf angewiesen sind, an mehr als 10 Tagen im Monat Schmerzmittel einzunehmen),
      • dazu führen, dass Sie regelmäßig arbeitsunfähig bzw. im Alltag nicht einsatzfähig sind,
      • regelmäßig länger als 72 Stunden anhalten,
      • kompliziert verlaufen, das heißt, besonders lang sind oder mit vielen, lang andauernden Begleiterscheinungen einhergehen,
      • nach einer Schmerzmittelentzugstherapie aufgetreten sind.

      Auch wenn die Häufigkeit der Attacken zunimmt und Sie an mehr als 10 Tagen im Monat Schmerz- oder Migränemittel einnehmen müssen, ist eine Prophylaxe sinnvoll.

      Tritt ein Migräneanfall auf, werden die Medikamente, die den Anfall direkt bekämpfen sollen, zusätzlich zu den Prophylaxemedikamenten eingenommen.

      Medikamente für den Migräneanfall (z.B. “Triptane”) sollten zwar so selten wie möglich, aber möglichst früh zu Beginn des Anfalls eingenommen werden – sobald Sie sich sicher sind, dass es sich um eine Migräneattacke handelt. Sie sollten aber nicht häufiger als an 10-12 Tagen im Monat angewendet werden.


    Tabelle 4: Behandlung des Migräneanfalls mit Medikamenten:

      Leichter bis mittelschwerer Anfall

      Schwerer Anfall

       

      • Im Falle von Erbrechen und Übelkeit: zuerst Domperidon* oder Metoclopramid* (z.B. als Tropfen oder Zäpfchen)
      • -> dann 10 bis 15 min. warten
      • -> dann Paracetamol, Acetylsalicylsäure, Ibuprofen oder Diclofenac-Kalium
      • Vorsicht!: Acetylsalicylsäure, Ibuprofen und Diclofenac-Kalium können Magen-Darm-Beschwerden auslösen und dürfen dann nicht mehr eingenommen werden. Bei Zeichen für eine Magenblutung, z.B. schwarzem Stuhl, sollten Sie dringend Ihren Arzt aufsuchen!
      • Triptane* (z.B. Almotriptan, Eletriptan, Frovatriptan, Naratriptan, Rizatriptan, Sumatriptan oder Zolmitriptan) als Tablette, Nasenspray oder unter die Haut gespritzt
      • oder Lysinacetylsalicylat* (ASS-Lysinat) vom Arzt in die Vene gespritzt.

       

      Bitte beachten Sie: Die mit (*) gekennzeichneten Wirkstoffe sind verschreibungspflichtig und dürfen nur nach ärztlichem Rat angewendet werden!


    4.4.4 Kopfschmerz durch übermäßige Schmerzmitteleinnahme (Medikamentenkopfschmerz, Entzugskopfschmerz)

      Beim Entzugskopfschmerz kommt es nicht darauf an, bestimmte Medikamente einzunehmen, sondern die Medikamente, die für die Schmerzen verantwortlich sind, wegzulassen. Das ist nicht leicht, aber Ärzte und Therapeuten in spezialisierten Einrichtungen oder Kliniken können dabei helfen. Ihr Arzt kann Ihnen die für Sie beste Möglichkeit erklären und einen Behandlungsplan mit Ihnen zusammen erarbeiten. Das können allerdings nur Hilfestellungen sein, denn letztlich kommt es auf Ihre Mitarbeit, Ihre Entschlossenheit und Ihr Durchhaltevermögen an. Eine große Hilfe ist auch hier das Schmerztagebuch (siehe 5. und 7.). Sie können so Ihre Erfolge deutlicher sehen und jede Veränderung frühzeitig erkennen und darauf reagieren.


    4.4.5 Clusterkopfschmerz

      Die erste Maßnahme zur Behandlung des Clusterkopfschmerzes ist das Vermeiden von Stoffen, die die Schmerzattacken auslösen (zum Beispiel Alkohol oder Nikotin). Wenn es trotzdem zu einer Schmerzattacke kommt, können eine Sauerstoffinhalation (Einatmung) – am besten über eine dicht sitzende Gesichtsmaske – oder der Wirkstoff Sumatriptan* sinnvoll sein.

      Auch beim Clusterkopfschmerz ist eine vorbeugende Behandlung mit Medikamenten möglich, z.B. mit den verschreibungspflichtigen Wirkstoffen Verapamil*, Methysergid*, Prednisolon* oder Lithiumcarbonat*. Welcher Wirkstoff in welcher Dosierung für Sie in Frage kommt, sollten Sie mit Ihrem Arzt besprechen.


    4.4.6 Behandlungen ohne Nachweis der Wirksamkeit

      Bei einigen Behandlungsverfahren konnte die Wirksamkeit nicht nachgewiesen werde. Auch, wenn Einzelne gute Erfahrungen damit gemacht haben, haben wissenschaftliche Beobachtungen an großen Patientengruppen gezeigt, dass eine Verminderung der Schmerzstärke oder -häufigkeit in der Regel nicht erreicht wird. Es handelt sich um die in der Tabelle 5 genannten Behandlungsverfahren.


    Tabelle 5:

      Diese Behandlungsmöglichkeiten werden angewandt, ihre Wirkung ist aber nicht nicht eindeutig wissenschaftlich belegt.

      Bei Spannungskopfschmerz:

      Bei Migräne:

       

      • TENS (transkutane elektrische Nervenstimulation)
      • Manuelle Therapie
      • Chirotherapie
      • Massagen
      • Akupunktur
      • Akupressur
      • Botox (Botulinumtoxin A) - Injektionen
      • Manuelle Therapie
      • Chirotherapie
      • physikalische Therapie
      • autogenes Training
      • Psychophonie
      • klassische Psychoanalyse
      • Homöopathie
      • Frischzell-Therapie
      • lokale Injektionen in Nacken oder Kopfhaut (Quaddeln)
      • TENS (transkutane elektrische Nervenstimulation)
      • Neuraltherapie
      • Reizströme
      • Magnetströme
      • Fußreflexzonenmassage
      • Ozontherapie
      • Tonsillektomie (Mandeloperation)
      • Behandlung vermeintlicher Pilzinfektionen des Darmes
      • Entfernen von Zähnen
      • Aufbiss-Schienen
      • Entfernung von Amalgamfüllungen
      • Entfernung der Gebärmutter

       

      Allgemein wird die Anwendung eines Behandlungsverfahrens erst dann empfohlen, wenn nachgewiesen wurde, dass es mindestens der Hälfte der behandelten Patienten hilft. Die Akupunktur hilft wahrscheinlich etwa einem Drittel der behandelten Patienten, was nur knapp oberhalb der Größenordnung vom Placebo-Effekt liegt. Vor kurzer Zeit wurde die Wirkung der Akupunktur in einer großen Studie untersucht, die Studienergebnisse bezüglich der Behandlung von Migränekopfschmerzen stehen noch aus.
       


    5. Was kann ich selber tun?

      Sehr viel!
      Bei der Behandlung fast aller Kopfschmerzformen sind Sie selber gefragt. Medikamente zur kurzfristigen Anwendung sind zwar Hilfen, aber letztlich kommt es auf Ihre Mitarbeit, Ihr Engagement und Ihr Durchhaltevermögen in diesen drei Bereichen an:

      • Schmerzdokumentation
      • Lebensführung
      • Zuverlässige Einnahme evtl. voerordneter Medikamente zur Langzeitbehandlung.


    5.1 Schmerzdokumentation

      Das Führen eines Schmerztagebuches (siehe 7.) soll hier an erster Stelle beschrieben werden, weil es nicht nur für die Behandlung, sondern auch für das Herausfinden Ihrer Kopfschmerzform (der sogenannten Diagnosefindung) hilfreich ist (siehe 1.4 und 4.1.1). Um ein Schmerztagebuch führen zu können, sollten Sie zunächst versuchen, auf bestimmte Umstände und Situationen, die mit Ihrem Kopfschmerz zu tun haben könnten, aufmerksam zu werden. Denn abgesehen von dem Schmerzcharakter, seiner Dauer, Stärke, Häufigkeit und Lokalisation (Schmerzort) sind die Umstände seines Auftretens sehr wichtig. Diese Umstände können Ihnen Hinweise auf Ihre speziellen auslösenden Faktoren geben. Durch das Meiden von Auslösefaktoren vermindert sich oftmals die Schmerzhäufigkeit. Nehmen Sie sich jeden Tag ein paar Minuten Zeit, um die wichtigsten Punkte in Ihr Schmerztagebuch einzutragen, denn:. Versucht man sich nach mehreren Tagen oder Wochen an die Schmerzphasen zu erinnern, so sind diese Erinnerungen oft ungenau und verwaschen. Deshalb lohnt es sich, jeden Tag ein paar Minuten zu investieren und die Eintragungen an irgendeiner Stelle fest in den Tagesablauf einzubauen.

      Viele Kopfschmerzarten können nicht vollständig geheilt, aber doch stark vermindert werden. Das Kopfschmerztagebuch kann Ihnen helfen, Ihren Schmerz besser einzuschätzen und dadurch mit den Schmerzphasen selber, aber auch mit Medikamenten und anderen Hilfsmitteln souverän umzugehen. Wenn Sie das Tagebuch auch während der Behandlung weiterführen, können Sie die Wirkung der Behandlung regelrecht ablesen.

      Beispiele für Fragebögen und Tagebücher siehe 7.


    5.2 Lebensführung

      Bei den meisten Kopfschmerzformen ist das Vermeiden von Umständen, Situationen oder Lebensmitteln, die eine Kopfschmerzattacke auslösen, der erste Schritt zur besseren Lebensqualität. Der Verzicht auf liebgewonnene aber für Sie schädliche Gewohnheiten fällt schwer. Sie werden jedoch für Ihre Disziplin belohnt: die Schmerzen werden in der Regel weniger heftig oder sie treten seltener auf. Am Wochenende kann es z.B. hilfreich sein, sich morgens zur gewohnten Zeit den Wecker zu stellen, kurz aufzustehen und sich dann wieder hinzulegen. Auf diese Weise können manche Betroffene Ihren Kopfschmerz “überlisten”.

      Bezüglich der Ernährung gilt: Eine besondere “Kopfschmerz- und Migräne-Diät” gibt es nicht. Dennoch kann es für Sie nützlich sein, bestimmte Nahrungsmittel zu meiden, wenn Sie bei sich beobachten konnten, dass diese eindeutig Anfälle auslösen.

      Sie müssen aber nicht nur „weglassen“ und vermeiden. Sie können auch aktiv werden, um Ihre Situation zu verbessern. Dies gilt besonders, wenn Sie unter Migräne oder Spannungskopfschmerz leiden. Was Sie tun sollten:

      • Treiben Sie Sport! Am besten sind Ausdauersportarten, an der frischen Luft, wie z.B. Jogging/Walking, aber auch Schwimmen und Fahrradfahren. Besprechen Sie vorher mit Ihrem Arzt, welche Sportart und welche Trainingsintensität für Sie geeignet ist!
      • Spezielle Schmerzbewältigungstechniken und Methoden zur Stressverarbeitung können hilfreich sein. Sehr gute Erfahrungen haben Patienten gemacht, die die so genannte progressive Muskelrelaxation (nach Jacobson) erlernt und eingesetzt haben.
      • Auch sogenannte Biofeedbackverfahren (bewusste Wahrnehmung von Körperfunktionen) können hilfreich sein.
      • Eine Verhaltenstherapie kann Ihnen ebenfalls helfen, mit Ihren Schmerzen besser umzugehen und schmerzauslösende Situationen zu vermeiden.
      • Patientenseminare. Alles was in dieser Patientenleitlinie beschrieben wird, können Sie noch genauer in Patientenseminaren erfahren. Dort werden Ursachen, Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, Wirkungsweise von Medikamenten und anderen Hilfen und vieles mehr besprochen. Außerdem bietet sich dort die Möglichkeit, sich mit anderen engagierten Betroffenen auszutauschen und individuelle Fragen zu stellen.


    5.3 Zuverlässige Einnahme der Medikamente

      Auch das beste Medikament kann seine Wirksamkeit nur entfalten, wenn Sie es in der abgesprochenen Menge und zu bestimmten, mit Ihrem Arzt verabredeten Zeitpunkten einnehmen. Das geht leichter, wenn Sie nachvollziehen können, was das jeweilige Medikament bewirkt und für welche Situation es geeignet ist. Zuverlässig einnehmen heißt nämlich auch, nicht zu häufig einnehmen. Halten Sie sich an das, was Sie gemeinsam mit Ihrem Arzt oder Apotheker ausgemacht haben! Nehmen Sie die Medikamente, die den Schmerzphasen vorbeugen sollen, regelmäßig ein und sorgen Sie vor Wochenenden und Feiertagen für einen entsprechenden Vorrat. Im Gegensatz dazu sollten Medikamente, die für akute Schmerzattacken gedacht sind, auf keinen Fall regelmäßig eingesetzt werden. Aus Angst vor neuen Kopfschmerzen neigen viele Patienten dazu, schon vor dem Auftreten der Schmerzen etwas einzunehmen. Lassen Sie sich also nicht dazu verleiten, sie öfter oder regelmäßig einzunehmen. Bei zu häufiger Einnahme können Schmerzmittel sogar Kopfschmerzen auslösen (siehe 3.1.3). Probieren Sie neue, auch freiverkäufliche Medikamente am Besten nur nach Absprache mit Ihrem Arzt aus.

      Möglicherweise denken Sie jetzt: „Wenn ich mich an alle Empfehlungen halten soll, muss ich mein ganzes Leben umkrempeln.“ Das mag zum Teil richtig sein. Anderseits ist Ihr jetziger Rhythmus oder Tagesablauf auch der Rhythmus, in dem Ihr Kopfschmerz seinen Platz hat. Wenn Sie ihn verändern und Dinge wie Sport, Techniken zum Stressabbau und zur Stressbewältigung sowie das regelmäßige Schmerztagbuch in Ihren Alltag einbauen, dann tun Sie nicht nur etwas gegen Ihren Kopfschmerz, auch Ihr allgemeiner gesundheitlicher Zustand wird sich verbessern.

      Versuchen Sie, die Ratschläge und Empfehlungen zu beherzigen, aber lassen Sie sich dadurch nicht “stressen“. Versuchen Sie eine Form zu finden, mit der Sie Ihren Kopfschmerz in den Griff bekommen und trotzdem - oder gerade dadurch - gut leben können.


     6. Zusammenfassung

      • Schmerzen sind Warnsignale des Körpers, die ernstgenommen werden sollten!
      • Kopfschmerzen stellen eine Krankheit dar, die untersucht werden sollte und behandelt werden kann.
      • Sie sind nicht allein, wenn Sie wegen Kopfschmerzen gegebenenfalls nicht arbeiten können und auch zu Hause nicht einsatzfähig sind. Etwa 54 von 80 Millionen Menschen in Deutschland leiden unter lang andauernden oder ständig wiederkehrenden Kopfschmerzen.
      • Beim Herausfinden der Kopfschmerzform ist Ihr Arzt auf Ihre Wahrnehmungen und Mitteilungen angewiesen.
      • Ihr Bericht, die Befragung und die körperliche Untersuchung durch den Arzt reichen bei den häufigsten Kopfschmerzformen aus, um sagen zu können, um welche Form es sich handelt und welche Behandlung am besten für Sie ist.
      • Zusätzliche technische Untersuchungen sind nur dann sinnvoll, wenn sich aus Ihrem Bericht oder der körperlichen Untersuchung des Arztes ein Hinweis ergibt, dass Ihre Kopfschmerzen Begleiterscheinung einer anderen Grunderkrankung sind. Das ist sehr selten der Fall.
      • Den Schmerzcharakter, seine Dauer, Stärke, Häufigkeit und Lokalisation (Schmerzort) sowie die Umstände, unter denen er auftritt, sollten Sie schriftlich festhalten und Ihre Notizen mit in die Sprechstunde bringen. Fragebögen können dabei helfen.
      • Führen Sie ein Schmerztagebuch!
      • Treiben Sie Sport!
      • Überfordern Sie sich nicht! Machen Sie regelmäßig Arbeitspausen!
      • Lernen Sie Stress abzubauen!
      • Achten Sie auf regelmäßige Mahlzeiten und ausreichende Flüssigkeitszufuhr!
      • Schlafen Sie regelmäßig und ausreichend!
      • Nehmen Sie Ihre Medikamente zuverlässig, entsprechend der Anweisung Ihres Arztes oder Apothekers ein.
      • Medikamente, die Kopfschmerzen vorbeugen sollen, sind regelmäßig und über mehrere Monate einzunehmen – auch, wenn Sie keine Beschwerden haben!
      • Medikamente für die Kopfschmerzattacke dürfen nicht regelmäßig und nicht häufiger als 10-mal im Monat bzw. und an drei aufeinanderfolgenden Tagen eingenommen werden. Erhöhen Sie nicht selbständig die Dosierung!
      • Patientenseminare können eine Hilfe sein.
      • Informieren Sie sich bei Ihrem behandelnden Arzt oder bei Ihrem Apotheker, wenn Sie unsicher sind.
      • Auf Ihren Einsatz und Ihr Durchhaltevermögen kommt es an! Wenn Sie das beherzigen, werden Sie es auch schaffen, Ihren Kopfschmerz in den Griff zu bekommen!

       


    7. Links und Bücher

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